1978
ausgearbeitet und zur Verfügung gestellt von Jochen Permien
Am 14. September 1873 wurde die Wustrower Kirche eingeweiht - es war ein großer Tag für das Fischland - alles war bis in den letzten Winkel aufgeräumt. Um 10 Uhr ging es los von der Schule, die während der Bauzeit als Kirche gedient hatte, der Festzug setzte sich in Bewegung. Voran gingen die Lehrer, ihnen folgten die Schulkinder, sie sangen den Choral "Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut, dein Vater aller Güte ...", dann kam die Geistlichkeit aus Ribnitz und der Superintendent Schewen aus Doberan, Ortspastor Thiemig trug Bibel und Kirchenordnung, dann der Großherzog mit Gefolge, der Baumeister, die Vögte vom Fischland, Kirchenvorsteher und dann das Kirchenvolk in Bratenrock und Zylinder, Capotthut und Festkleidern.
Die alte Kirche war zu klein und baufällig geworden und wurde 1869 abgerissen. Alte Leute sagten, das bedeute nichts Gutes - vielleicht hatten sie recht, denn noch im gleichen Jahr brannte die Westseite von Wustrow ab über 40 Häuser und Bauernhöfe wurden vernichtet.
1870/71 war der Krieg mit Frankreich.
1872 im November spülte eine Sturmflut die Dünen hinweg, vernichtete 40 Häuser in Althagen und durchbrach die Wiesen südlich von Wustrow.
Die alte Kirche wurde erstmals 1385
genannt, das sind runde 600 Jahre her. Die Barnstorfer Bauern hatten
ihren "Zehnten" (zehnten Teil vom Lohn) an die Kirche zu geben, alle
anderen Einwohner vom Fischland den Zehnten ans Kloster.
Die Kirche
war auf dem Hügel errichtet, auf dem schon ein wendisches Heiligtum
stand, denn Swante Wustrow, der alte Name vom Fischland bedeutet
"Heilige Insel".
Vor der alten Kirche lagen schon die Kaperschiffe
der Likedeeler, denn damals konnte man noch von der Binnen- in die
Ostsee fahren, bis dann die Stralsunder die Durchfahrt mit 3 versenkten
Schiffen blockierten und die Fahrrinne versandete. Störtebeker verzog
sich dann mit seinen Gesellen in die Nordsee, wurde bei Helgoland
gefangen und in Hamburg hingerichtet - ob nu Fischländer dabei waren,
hätte ich gerne gewußt, doch Namen wurden nicht festgehalten - nur Kopf
ab, von den 70 Spießgesellen, ein Jahr später auch Goedeke Michels.
1549 wurde Mecklenburg evangelisch
Die Zeit danach liegt im Dunkeln. Erst 1651 wurde das Kirchenbuch angelegt.
Als
erstes wird berichtet, dass Mathias Bradhering an sein Grabstatt
geleitet wurde, seines Alters 82 Jahr und ist alhir in der Kirche 61
Jahre Schulmeister und Custos gewesen. Er war Schneider von Beruf und hatte einen Bart 1 ¾ Ellen
lang (1 m), den er um den Hals gewickelt trug. Er durchlebte den ganzen
30jährigen Krieg mit all seinen Schrecken und all seiner Not. Die
Menschen waren verarmt, verwildert und verroht. Der Pastor schrieb: In
dem Ländchen ist keine Obrigkeit und Ordnung, die Leute sind rauhe
Strandleute und meines Vorgängers Lohn sind Schläge gewesen. Auch die
Kirche war verfallen. So wird berichtet, dass 1663 am 2.
Weihnachtsfeiertage während der Abendmahlsfeier das Chor Westseite
mitsamt 15 Personen herniedergefallen. Aber Gott Lob, es ist keiner zu
Tode gekommen.
1664 Tilsche Schellwegen aus Wustrow wurde als "Hexe" in Güstrow verbrannt
1669 Fischl. Dominalbesitz
1788 wurde Stackette an der Kirchhofsmauer und die Mauer von gesprengten Feldsteinen um den Pfarrhof aufgerichtet, da vorher alle Zäune alle Jahre gestohlen wurden und dem Pastoren vielen Schaden und Verdruß zuzogen.
1832 wurde der neue Friedhof eingerichtet - "zur großen Betrübnis und Unzufriedenheit der Gemeinde" - Vielleicht ist es besser geworden, als Durchlaucht nochmals 700 Thaler aus seiner Schatulle bewilligte und 1859 die Friedhofsmauer errichten ließ
1873 bewilligte er 30.600 Thaler für den Bau der Kirche, 2100 Thaler brachte die Gemeinde auf.
1880 war es Pastor Morich, der Motor bei der Umfunktionierung des einst reichen Fischerdorfes zu einem Seebad.
1900 stiftete Pastor Morich eine Bibel für jede Braut die in "Ehren" in die Ehe gegangen. Um da sicher zu gehen, wurde die Bibel erst 1 Jahr nach der Hochzeit ausgegeben.
1930 wurde die Satzung dahin geändert, dass jede Braut gleich bei der Hochzeit die Bibel bekommt, wohl aus der Erkenntnis heraus, dass eine "sündige" Braut die Bibel viel nötiger hat.
Pastor Vermehren, ab 1900 Prediger in Wustrow, fragte einmal Georg Dade, einer der Segelschlittenführer, der im Winter die Verbindung mit dem Festland herstellte: "Nun mein lieber Herr Dade, was machen Sie, wenn Sie mit Ihrem Schlitten einbrechen und sich nicht mehr retten können?" "Jä, segt er da, denn singe ich den Choral." Ich hab nun den Grund gefunden, der meine Seele hält."