Beitrag: Hermann Winkler, Rostock
Quelle: Mecklenburg Magazin, Regionalbeilage der SVZ, NNN und Nordkurier vom 23.08.2002
Die funktionelle Schönheit eines alten Zeesbootes findet immer auch ihren Ausdruck in der Farbe seiner Segel. Als Traditionssegler haben die Arbeitssegler die Zeiten überdauert und noch leben die letzten Zeesenfischer unter uns, die ihr Wissen und ihre Erfahrung um das Konservieren und Färben des Segeltuches bewahrt haben.
Bevor in der Segelschifffahrt Kunstfasertuche in Gebrauch kamen, musste das verwendete Leinentuch wirksam gegen Nässe, Fäulnis, Schimmel und Stockflecken geschützt werden. Eine sehr alte Konservierungsmethode für Segel und Netze in der Fischerei war das Lohen oder Taanen, über das schon aus dem 17. Jahrhundert berichtet wird. Es geschah nach dem gleichen Prinzip, das man früher in der Lederindustrie beim Gerben von Häuten anwendete, um das sogenannte lohgare Leder herzustellen. Grundlage für diese Verfahren waren bestimmte Gerbstoffe. Diese Substanzen sind stickstoffreiche Phenolverbindungen, die sich im Wasser gut lösen. Beim Zusammentreffen mit Eiweißkörpern verwandeln sie diese in eine feste Verbindung mit fäulnishemmender Wirkung.
Einer, der heute fast vergessenen Konservierungsmethode aus der Segelschifffahrt und Fischerei nachspürt, ist Hermann Ostermann. Der Bielefelder publiziert über alte Rezepturen und sammelt heute noch verfügbare ähnliche Substanzen und Stoffe. Damit leistet er einen wichtigen Beitrag, um dieses Thema der Fischereigeschichte vor dem Vergessen zu bewahren. Auch Dr. Wolfgang Rudolph hat während seiner langen maritim volkskundlichen Feldforschung zahlreiche Auskünfte der Ostseefischer zu diesem Thema dokumentiert.
Die älteste noch bekannte Art des Lohens war der Gebrauch von Birkenrinde und Pferdefett in Skandinavien. Wir erinnern uns wahrscheinlich noch an die Netztrockenplätze mit den Holzgestellen, die es überall in den Fischerdörfern der Küstenregion gab. Auf diesen Plätzen oder in einem Gebäude nahe dabei standen meist auch große Kessel oder offene Eisenfässer, die oft von mehreren Fischern gemeinschaftlich zum Kochen der Brühe, so nannten sie ihre Mischung, genutzt wurden.
Die Netze wurden für eine bestimmte Zeit in die Lohe gelegt, die in der Grundsubstanz aus Eichenrinde und später aus dem schwarz- bis bernsteinfarbenem Catechu, einem Produkt aus dem Holz der indischen Akazie, bestand. In unserer Zeit kam als Lohe immer mehr industriell hergestellte Mischungen zur Anwendung.
Für die Behandlung von Segeln fügte man der Brühe verschiedene tierische und vegetarische Fette, wie z.B. Tran, Fisch- und Leinöl, Talg, ranzige Butter oder Pferdefett bei. Die gewünschte braune Farbe der Segel wurde durch eine weitere Zugabe von Farbstoffen erreicht. "In manchen Gegenden verwendete man nur Ockerpulver in den Farben rot oder braun. In heißem Wasser aufgelöst und mit Holzteer und Leinöl versetzt, ergab es einen schönen rostroten oder rotbraunen Farbton. Der Lohe wurden auch Farben beigemischt, wie das sogenannte Haffkrugbraun oder Finkenwerderbraun. Solche erdenen Farben schützten die Fasern zusätzlich gegen die Wirkung der UV-Strahlen und hatten bei locker gewebten Tuchen auch noch einen Fülleffekt", schreibt Ostermann.
Der Rezepturen zum Lohen gab es viele und unsere alten Fischer erinnern sich ungern an diese wenig geschätzte Arbeit. Hermann Grählert, ein Altfischer aus Pruchten, der selbst auch noch mit der Zeese gefischt hat, berichtet: "Wir nahmen braunen Ocker mit Schweinefett und Maschinenöl. Nur einen kleinen Schuss Teer. Die Segel waren doch schon dunkelbraun. Das wurde im großen Bottich ordentlich aufgerührt, mit heißem Wasser. Da, wo sonst die Aale drin sortiert wurden. Danach wurden die Segel auf die Wiese gelegt und die Masse mit einem Haarbesen auf beiden Seiten ordentlich draufgeschrubbt. Richtig feucht, bis alles matschig war. Dann wurden die Segel auf der Wiese eine gute Stunde zusammengelegt. Nachher wurden sie zum Trocknen auseinandergeholt. Das hat in den ersten Wochen noch lange abgefärbt." Dieses einfache Rezept wurde sicher vor allem bei der Nachbehandlung angewendet.
Der ehemalige Zeesenfischer Hans Dade aus Althagen erinnert sich noch genau an den Arbeitsablauf und die Herstellung der Lohe bei den Althäger Fischern: Fünf bis sechs Fischer taten sich zusammen und erhitzten etwa 50 Liter Boddenwasser in einem halben Ölfass. Als Farbstoff wurde Catechu in Würfelform unter ständigem Rühren zugegeben. Hinzu kamen noch etwa 20 Päckchen Margarine oder Rindertalg, und damit die Segel nicht so stark abfärbten, noch einen Schuss giftige Blausäure. Ockerfarbe nahmen die Fischländer ungern, weil es stark abfärbte. Auch Haffkrugbraun oder Mangrovenrinde wurden gern verwendet. Hans Dade weiß noch, dass früher im Ort die Segel auch mit Eichenrinde geloht wurden. Im Darßwald bei "Drei Eichen" soll die Rinde geerntet worden sein. In der Regel wurden die Segel alle zwei Jahre doppelseitig mit dem Konservierungsmittel behandelt. "Das alles war harte Arbeit gewesen, vom Sonnenaufgang bis zum Einbruch der Dunkelheit", schreibt der Barther Fischer Werner Alwardt in seinen Erinnerungen. "Mittags eine kurze Pause zum Essen und nachmittags brachte Muttern Kaffe und selbstgebackenen Kuchen zur Werft."
Die Vielzahl der vorliegenden Rezepte ist sicher dem Verwendungszweck des Schiffes, der praktischen Erfahrung der Fischer, den jeweils verfügbaren Substanzen, aber auch örtlicher oder regionaler Tradition geschuldet. So schwört jeder Fischer im Detail auf seine Rezeptur. Die Fischländer lehnen zum Beispiel das Ausbürsten mit Salzwasser zum Fixieren der Lohe ab, und anderswo im Boddenrevier wurde zu diesem Zwecke noch extra salzige Heringslake zugesetzt. Auch bei der Verwendung von Schweineschmalz ist man nicht überall der gleichen Meinung. Ein anderes altes Rezept, das Joachim Kaiser aufschrieb, stammt wahrscheinlich von den Altenwerder Gemüse- und Milcheverfahrern auf der Elbe, die Frischmilch und Rübenöl zu gleichen Teilen unter Zugaben von Holzteer, Leinöl, Farbe kalt (!) verrührten. Diese Bestandteile basierten eindeutig auf leicht verfügbaren regionalen Handelsprodukten.
Wie die Zeesenfischer Moritz und Raabe einst berichteten, sollen bei regelmäßiger Pflege die Segel immerhin 15 bis 20 Jahre gehalten haben. Der Bootsbaumeister Eckehardt Ramin von der gleichnamigen Werft in Barth, der zugleich auch Obmann der Zeesbootsegler ist, berichtete 1995 von einem handgenähten Baumwollsegel aus seinem Besitz, das schon über 64 Jahre in Gebrauch war und nur einmal geloht worden sein soll. Von einem stetig gelohten hochbetagten, aber noch brauchbaren Segel ist zu berichten, das auf dem Haikutter "Ruth" aus Breiholz schon 90 Jahre im Einsatz war, und das 1984 der damalige Eigner noch einmal konservieren wollte. Seine Mühen waren allerdings erfolglos, da die "modernen" Substanzen vom Segeltuch nicht angenommen wurden. Es musste dann doch ein neuer Satz roter Kunstfasersegel bestellt werden. Auch unsere Zeesbootsegler haben sich laufend mit mehr oder weniger Erfolg bemüht, ihre vom damaligen Hersteller nur farblos gelieferten Segel mit verschiedenen Farbmischungen in die traditionellen Brauntöne umzufärben oder alte vom Fischer übernommene Baumwollsegel wieder zu konservieren. Auch aus dieser Zeit sind noch verschiedene Rezepturen bekannt.
Heute gibt es diese Baumwollsegel kaum noch. Einige Altsegel der Zeesenfischer sind bei einigen Traditionsseglern noch hier und da vorhanden, aber kaum noch in Gebrauch. Schon sieht man öfter auf den alten Zeesbooten auch weiße Segel aus Kunstfasertuch im Winde wehen. Bei den roten oder braunen Segeln handelt es sich meist um farbiges DURADON, ein Polyestergewebe mit glatter Oberfläche, das gegenüber den alten Segeln auch eine geringere Windreibung erzeugt und die Boote damit schneller macht. Wünscht der Eigner bunte Segel ohne Glanz im alten Baumwoll-Look, dann kann er auch ein Polyestergewebe ordern, in dem keine Harze einkalandert sind, wie diese Technologie genannt wird.
Der Anblick brauner Segel im Küstenwind wird uns nun auch weiterhin an die vergangene Zeit der Zeesenfischer erinnern. Als Traditionssegler haben ihre Arbeitsboote die Zeiten überdauert. Gelegenheit dazu bieten zahlreiche Traditionsseglertreffen im Küstenland. Das sind zum Beispiel die Zeesenbootregatta und die Wettfahrten alter Arbeitsboote der Kleinfischer.