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Die Damgartener und Ribnitzer Werften im 19. Jahrhundert

Beitrag: Dr. MANFRED HESSEL, Ostseebad Wustrow - leicht gekürzte Fassung,
Quelle: OZ vom 11.09.1995

Die allermeisten Seeleute, ob auf der Brücke oder vor dem Mast, wissen: "Es gibt keinen guten Fahrensmann ohne ein gut gebautes Schiff". Auch für die zahlreichen und tüchtigen Seefahrer zwischen Ribnitz und Barth war der Schiffbau eine bedeutende Basis für ihre Leistungen. Leider ist es wenig bekannt, dass auf diesem Territorium von 1781 bis 1900 auf 50 Schiffbaustellen oder Werften über 900 Seeschiffe erbaut wurden. Hier sollen nur Damgartener und Ribnitzer Werften des 19. Jahrhunderts beschrieben werden.

Die Schiffbauer Dierling, Peters, Wilken

Am Ende des 18. Jahrhunderts gelang es dem Schiffbaumeister Bartel Dierling in unmittelbarer Nähe des heutigen Damgartener Hafens eine Werft in Betrieb zu nehmen. Sie blieb in Familienbesitz und baute bis 1880 hauptsächlich kleinere Segler, aber auch mal eine Bark. In besten Zeiten produzierte Dierling auf zwei Hellingen, die dann besetzt waren. Das äußere Bild dieser Schiffbauplätze kennzeichneten weit sichtbar die Holzstapel. Das Baumaterial wurde bis zu sieben Jahren abgelagert, sonst hätten sich Balken und Planken der Schiffskörper verziehen können. Es war sehr schwere Handarbeit, den Eichenkiel zuzuhauen und die Steven einzupassen. Dann wurden drei bis vier Zentimeter starke Bohlen aus Eichen- oder Buchenholz für die Bordwand gesägt. In der soge nannten Dampfkiste, ein großer Kessel, wurde das Holz "gekocht"und danach gebogen. Das Holz stammte vorwiegend aus dem Darßer Wald oder aus der Rostocker Heide. Natürlich mussten die Dierlings an der Recknitzbrücke für Holztransporte an Ribnitz Gebühren entrichten.

DieTischlerei, einige Schuppen, der Schnürboden und die Pechküche vervollkommneten das Bild einer damaligen Werft.

Die älteste Ribnitzer Schiffswerft wurde 1825 von Johann C. Peters aus Bartelshagen eröffnet. Dafür hatte er viele Hindernisse der Bürokratie und Konkurrenz zu überwinden.

Die Anlage entstand vor dem Rostocker Tor am Körkwitzer Weg. Von Anfang an zehrte die Werft von J. C. Peters von der raschen Belebung der kleinen und mittleren Segelschiffahrt und der Fischländer Partenreedereien. Er erhielt Neubauaufträge, in guter Qualität lieferte er und später sein Nachfolger, Schiffbaumeister Hans L. Miebroth, die Brigg "Ariadne" zu 114 Lasten, zehn Mann Besatzung und Wert 8600 Reichstaler, 1857 die kupferfeste Bark "Meydell-Seefeld", elf Mann Besatzung, im Werte von 28500 Reichstaler ab.

Von der Last mit den Lasten

Es ist schon eine Last mit den Tonnen und Lasten: 1 Kommerzlast gleich 1 Wismarer Roggenlast gleich 6000 mecklenburgische Pfund gleich 3 Tonnen. 1 Ostseelast gleich 1 Normallast gleich 4000 mecklenburgische Pfund gleich 2 Tonnen. 1 Tonne gleich 1000 kg.
Bis 1871 wurde die Tragfähigkeit in Lasten, ab 1872 in Tonnen gemessen. Die feudalistische Kleinstaaterei trieb auch im Schiffbau wilde Streiche. So wurden die in Damgarten erbauten Segler nach "Normallasten", aber die in Ribnitz erzeugten größtenteils nach "Kommerzlasten" berechnet. Die jüngste in Ribnitz entstandene Werft war zugleich am leistungsfähigsten.

Johann H. Wilken wurde 1840 das Schiffbaumeister-Privilegium verliehen. Als er 1840 das Ribnitzer Bürgerrecht erworben hatte, eröffnete er noch im gleichen Jahr die eigene Schiffbaustelle. Auch die Wilken-Werft lag vor dem Rostocker Tor, am Körkwitzer Weg, von der Werft von J. C. Peters nur durch eine Kälberweide getrennt.
Wilken pachtete eine Fläche von 106 mal 96 Meter mit einem etwa 20 Meter breiten Hafenbecken. Zwei Hellingen für große Schiffe waren vorhanden. Das äußere Bild war denen der anderen Werften sehr ähnlich.

Der Betrieb nutzte erfolgreich den damaligen Aufschwung der hiesigen Segelschiffahrt und die Fertigkeiten und Kenntnisse des Wilken'schen Sohns, die er sich auf der Werft von Ludwig in Stettin und auf der dortigen höheren schiffbaulichen Lehranstalt erworben hatte.

Bei Wilken entstanden von 1840 bis 1878 54 Segelschiffe, wovon 50 in Rostock beheimatet waren. Sie waren meistens 25 bis 40 Meter lang und konnten zwischen 280 und 400 Tonnen Ladung aufnehmen.
1875 entstand hier mit der Bark "Präsident Trotsche" mit 760 Tonnen Tragfähigkeit das größte in Ribnitz erbaute Schiff.

Werften ernährten viele Familien

In der Blütezeit um 1840 bis 1875 waren zum Beispiel auf der Wilkenwerft bis zu 40 Schiffszimmerleute beschäftigt. Die tägliche Arbeitszeit betrug 11 bis 12 Stunden und als Tagelohn erhielt ein Zimmergeselle 17 Silbergroschen und acht Pfennige, was 1,78 Mark entsprach. Für ein Pfund Butter musste man damals 70, für ein Pfund Mehl zehn Pfennige entrichten. Aber die beiden Ribnitzer Hauptwerften ernährten bis zu 85 Familien, und Ribnitz zählte 1870 4256 Einwohner und 613 Häuser.
Ein Schiff gab noch mehr Menschen eine Existenz. So verdienten die Holzhändler, Fuhrleute, Maler, Takler, Schmiede, Tischler und andere. Ganz Ribnitz und auch Damgarten gewannen von der raschen Entwicklung der Partenreedereien und Werften der Region. Um 1860 kostete eine Bark von etwa 480 Tonnen Tragfähigkeit 99 458,63 Mark. Etwa 50 Prozent bekam der Schiffbaumeister für das "beil- und bohrfertige Schiff".

Schiffe mussten Tiefgang verringern

Für die Takelage, Ausrüstung und Sonstiges musste für das oben genannte Schiff noch gezahlt werden: Reifer 3828 Mark, Segelmacher 2791 Mark, Schmied 5751 Mark, Klempner 651 Mark, Blockmacher 1583 Mark, Gelbgießer 604 Mark, Bildhauer 319 Mark, Tischler 3026 Mark, Maler 746 Mark, Registrierung 279 Mark, verschiedene Handwerker 916 Mark, Auslagen des Kapitäns 901 Mark, Auslagen und Provision des Korrespondentreeders 20978 Mark, Diverses 4579 Mark, Diverses konnten die Mieten für Yachten sein. Denn oft reichte der geringe Boddentiefgang zur Uberführung der Neubauten nicht aus. Der Weg von der Schiffswiege bis zur See wurde immer mehr zu einer harten Probe. Nach dem festlichen Stapellauf mit einer feierlichen Rede, viel Flaggenschmuck und Musik, mussten die Hindernisse der Boddenfahrt gemeistert werden.
Vor allem die größeren Schiffe kamen fest und mussten ihren Tiefgang verringern. Das funktionierte so: Bis zu sechs Yachten ging bei einem Schiff längsseits, wurden zuerst mit Wasser vollgepumpt, dann wurden Taue oder Ketten unter den Rumpf des Schiffes gebracht und das Wasser wieder aus den Yachten gepumpt, damit der noch nicht ausgerüstete Neubau geringeren Tiefgang bekam.

Das Boddenfahrwasser war eine immer größere Grenze für einen weiteren Schiffbau in Damgarten und in Ribnitz. Konnte man da eigentlich noch an den Bau größerer Schiffe, noch dazu aus Stahl und Eisen denken?

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