Fischland-Darß-Zingst
Darßbahn eröffnete vor über 100 Jahren.

Jeden Sommer schlängeln sich Kolonnen unzähliger Fahrzeuge zähflüssig über die Bäderstraße der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst. Tagesbesucher und Feriengäste sind unterwegs zu einen der Urlaubsorte oder es zieht sie an einen der beliebten weißen Strände. Vor allem an den Wochenenden sorgt die hohe Fahrzeugdichte für mühsames vorankommen und nicht selten trübt ein Stau während der Anreise die Freude auf lang ersehnte Erholung. Manch einer wird sich dann vielleicht die frühe Zeit der Fortbewegung herbeisehnen und denken, dass eine damalige Reise wohl mit weniger Strapazen verbunden war. Aber genau das Gegenteil war der Fall. Noch bis vor wenigen Jahrzehnten konnte sich die Fahrt von einem Ort auf der Halbinsel in eine der benachbarten Städte des Festlandes leicht zu einer Tagesreise ausdehnen. Die schmale Passage nach Mecklenburg war bis zur Fertigstellung der Meiningenbrücke 1910 die einzige Verbindung zum Festland. Sie lag nur wenige Zentimeter über dem Meeresspiegel und schon einfache Regenfälle machten weite Teile dieser Strecke unpassierbar. Für die Bewohner war der Ausbau des Straßennetzes lebensnotwendig, ihre Regierung hingegen sah dieser Region keine strategische Bedeutung an. Während die Bevölkerung unter der Abgeschiedenheit schwer zu leiden hatte, stritten sich die Regierungen von Pommern und Mecklenburg über ihre Zuständigkeiten auf der politisch geteilten Halbinsel.

Am 1. Juli 1888 wurde die Eisenbahnstrecke Stralsund-Ribnitz in Betrieb genommen und im Sommer darauf bis Rostock weitergeführt. Von dieser Linie zweigte in Velgast ein Nebengleis mit 11,4 km Länge nach Barth ab. Von Berlin aus gelangte der Sommerfrischler jetzt mit der Eisenbahn in vier bis sechs Stunden in die kleinen Städte nahe der Küste. Und obwohl ihnen ein Fußmarsch vom Bahnhof zum Hafen und dann noch eine Überfahrt mit dem Dampfer bevorstanden, richtete sich der Reisestrom spürbar in die Ostseebäder von Fischland, Darß und Zingst. Nachdem die Einwohner ihrer Forderung nach einem Gleisanschluss zur schnelleren Beförderung der Badegäste erstmalig Ausdruck verliehen hatten, folgten viele Jahre wiederkehrender Vorschläge und Diskussionen. Erst ab dem Jahr 1900 begannen die Zielsetzungen konkret zu werden. Doch das Landratsamt des Kreis Franzburg weigerte sich bei seiner misslichen finanziellen Lage diese Bahn zu bauen und verwies auf die zahlreich verkehrenden Dampfer. Die Bürgervereine von Zingst und Prerow wandten sich nun mit der Bitte um Unterstützung an den Stralsunder Regierungsbezirk. Hier schien der eingereichte Antrag durchaus gerechtfertigt und stieß auf unerwartet großes das Interesse. Als Besitzer ausgedehnter Ländereien auf Sundische Wiese, dem östlichen Teil der Zingster Halbinsel, erhoffte sich die Hansestadt eine neuartige Erschließung des abgelegenen und bisher wenig ertragreichen Gebietes. Nicht nur der Anschluss an den Bahnknotenpunkt Stralsund schien gegenüber einer Verbindung Velgast-Barth günstiger zu sein, auch die hier in Vordergrund gezogene Richtung über Pramort nach Prerow erwies sich nach eigenen Angaben für eine Hebung der dortigen Bäder als die vorteilhaftere. Anfänglich zogen die Beteiligten sogar in Betracht, im Bereich Sundische Wiese einen Badeort zu errichten. Zwischen Pramort und dem Festland sollte hierfür eine Trajektverbindung eingerichtet werden.

Die von Stralsund bevorzugte Linie würde aber in Barth die bestehenden Verbindungen zwischen der Halbinsel und der Stadt Barth fast vollständig abschneiden. Folglich war man dort über die wohlwollende Aufnahme der Bittschrift beunruhigt. Man wollte das natürliche Verkehrszentrum für die Orte der Halbinsel Darß – Zingst bleiben und beschloss, in dieser Sache nun ebenfalls tätig zu werden. Die Barther schrieben an das übergeordnete Gremium des Regierungsbezirks Stralsund, den Oberpräsidenten der Provinz Pommern in Stettin, und forderten bei der Auswahl der Bahnstrecke eine Linie, welche ihre Stadt mit der Halbinsel über Bresewitz – Zingst in direkte Verbindung bringen würde. Nun kam endlich Bewegung in die Sache, doch auf Grund der vielen Beteiligten gestalteten sich die Verhandlungen der folgenden Jahre äußerst schwierig. Es konnte weder über den Streckenverlauf noch über die auszuführende Spurbreite eine Einigung erzielt werden. Die Eisenbahndirektion Stettin wurde mit der Festlegung der zweckmäßigsten und sparsamsten Variante des Schienenweges beauftragt. Stralsund hielt an der Erschließung der Halbinsel über Sundische Wiese fest. Hierbei ging es vor allem um die Einrichtung eines besseren Reiseverkehrs nach Schweden. Neben der Linie Saßnitz – Trelleborg sollte eine schwedische Eisenbahnfähre ab Sundische Wiese eingerichtet werden. Daneben verfolgte das Marineministerium die Absicht, im Bereich der Straminke einen Durchstich zur Ostsee zu schaffen und im Barther Hafen einen Teil ihrer Flotte zu stationieren. Diese Planungen wurden nach 1906 wieder fallen gelassen und hatten bis dahin den Bau der Darßbahn über einige Jahre entscheidend beeinflusst. Ab 1907 stand die Bahnlinie Barth-Zingst-Prerow schwerpunktmäßig fest. Die Strecke erforderte aufgrund ihrer drei Überbrückungen den enormen Kostenaufwand von rund 117.100 Mark pro Kilometer. Der Gleisbau begann im Frühjahr 1909 und war im September 1910 beendet. Das größte, aufwendigste und mit zahlreichen Schwierigkeiten verbundene Bauwerk war die Meiningenbrücke. Hier war eine knapp 500 m lange Konstruktion mit Drehbrücke projektiert. Es mussten 14 Öffnungen von 26 m überbrückt werden. Das große Stromsegment entstand als Bogenträger und besaß eine Stützweite von 61,6 m. Es wurde, wie die trapezförmigen Überbauten und das 43,7 m lange Drehteil auch, durch Vernieten zusammengefügt.

Nach zweimaligem Verschieben stand nun als endgültiger Eröffnungstermin für die Darßbahn der 1. Dezember 1910 fest.

Die Einweihungsfahrt mit den Ehrengästen der fand einen Tag früher statt. Bis zur Einstellung des Bahnbetriebes 1945 beeinflusste die Bahn nicht nur den Verkehr, sondern das ganze Leben der Bevölkerung. Statt der einst so beschwerlichen Verbindungen zum Festland mittels Fähre oder Dampfer, deren Betrieb über Winter oft monatelang eingestellt war, fuhr man nun in einer halben Stunde nach Barth und war zudem direkt an das große deutsche Eisenbahnnetz angeschlossen.

Bilder zum Thema: alte Darßbahn/ Meiningenbrücke

Fischland-Darß-Zingst - Buch-TIPP

Buchtipp: Verkehrsgeschichte der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst Band I

Verkehrsgeschichte der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst Band I
Schienenwege zwischen Stralsund und Rostock

Autor:

 Bernd Goltings

Jahr der ersten Veröffentlichung:

2005

Seiten:

106 Seiten
95 Abbildungen s/w

ISBN:

3-00-015628-3

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Die alte Darßbahn

Beitrag und Bilder: Bernd Goltings, Ostseebad Prerow

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