Beitrag: Dr. MANFRED HESSEL, Ostseebad Wustrow - leicht gekürzte Fassung,
Quelle: OZ vom 14.08.1995
2018 wurde „Die Bewahrung und Nutzung der Zeesboote in der Mecklenburg-Vorpommerschen Boddenlandschaft“ von der Deutschen UNESCO Kommission in das „Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes“ aufgenommen.
Nicht nur für die zahlreichen Besucher, auch für Einwohner der Orte vom Fischland und Darß sind die noch heute vorhandenen Zeesenboote ein imponierender Anblick. Ihr großer und stämmiger Rumpf sowie die starken dunkelbraunen Segel lassen möglicherweise eine romantische Vorstellung über den früheren Arbeitsplatz der Boddenfischer entstehen. Und wer die Möglichkeit wahrnimmt, als Gast mit einem Zeesenboot „zur See zu fahren“, gönnt sich ein unvergessliches Ferienerlebnis. Dabei gehören diese Fischerboote zu jahrhundertealten Arbeitsmitteln auf Haff und Bodden.
Die Geschichte der Zeesenfischerei ist mindestens 600 Jahre alt. 1449 wird der "Zesekahn" in der Stralsunder Chronik erwähnt, und 1681 findet sich der Begriff „Zeesen“ in der Barther Fischerordnung. Ihre Größe, Takelage und Fangmethoden haben sich im Laufe der Zeit verändert.
Ihre Länge waren zwischen 7 m und 14 m, die Breite von 3 m - 4,20 m bei einem Tiefgang von 0,60 m und 1,70 m. Die Segelfläche konnte je Boot 120 qm messen. Der Bootskörper wurde aus Eichenholz in Klinker- und Kraweelbauweise gefertigt. Neben der Takelage, kleinen Aufbauten und Schwert gab es noch weitere Extras. Für die Fischerei diverse Bäume und den durchfluteten Fischraum, Däken oder Bünn genannt. Erst Anfang der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts kam ein kleiner Antriebsmotor bis zu 20 PS dazu.
Typisch für das Fischmeisterrevier Ribnitz waren um 1899 die Slupgetakelten Boote:
Zu allen Zeiten kostete ein solches Zeesenboot ein Vermögen, man musste begütert sein oder sich stark verschulden. Der Fischer konnte sich ein solches Fahrzeug nicht selbst bauen. Sie wurde auf städtischen oder dörflichen Bootsbauplätzen erbaut. Die bekanntesten gab es in Fuhlendorf, Barth, Freest und Pruchten.
Die Fangmethoden und Leistungen dieser Boote hingen stark vom Können der Fischer ab. Die Bootsbesatzung bestand neben dem Schiffsführer, genannt Schipper, meist zugleich der Bootsbesitzer, aus dem Vormann. Dieser konnte „Anteilfischer“, „Knecht“, „Mitfischer oder Fischerjunge“ sein. Typisch war die Familienbesatzung oder der zu einem Drittel am Fang beteiligte Anteilfischer.
Das Dienstverhältnis war dörflich und saisonbedingt. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts bestand es am Saaler Bodden oft nur bis zu acht Monaten im Jahr.
Von der Besatzung wurde viel schwere und äußerst geschickte Arbeit abverlangt, Schlaf gab es wenig, meistens nur stundenweise, eine Fangfahrt dauerte bis zu 6 Tagen. Rund um die Uhr wurde gefischt, das Netz eingeholt und der Fang gesäubert uns verstaut. Über die Verpflegung berichtete ein Vormann: „Das Mittag kochte der Schipper selber, außer dass ich Feuer im Kochherd machte und die Kartoffeln aufsetzte. Es gab einmal Schmoraal, das nächste Mal Aalsuppe, und dann wiederholte es sich. Wenn einige Tage Sturm war und keine Aale anfielen, gab es Bratbarsche.“
Über das äußerst bescheidene Logis erfahren wir: „Es befindet sich vor dem Mast. Backbord ist die Koje des Schippers, steuerbord die des Fischereigehilfen. Vor beiden Kojen ist eine Sitzbank. Bei Einstieg gleich links steht ein kleiner eiserner Ofen zum Kochen, während auf der anderen Seite der Proviantspint untergebracht ist.“
Die Zeesenboote waren vom Ende des Eises bis zum Frosteintritt im Einsatz. Je nach Jahreszeit, Fanggebiet und Netzart wurden Aal, Hecht, Plötz, Barsch oder Stint gefangen.
Die Dach- bzw. Vierkantzeese (Netz) war 8 m - 13,50 m lang und hatte eine Öffnungsbreite zwischen 2,10 m und 5,20 m. Das Netz, oft selbst gefertigt, war bis zu 25 m lang, und es wurde meistens durch Treiben vor dem Wind seitlich geschleppt. Das Einholen der gefüllten Zeese (Netzgeschirr) war die schwierigste Arbeit an Bord.
War der Ertrag gut, erhielt der Anteilfischer eine größere Menge vom Fang, aber eine Familie war davon allein nicht zu ernähren. Durch die Bearbeitung eines Stück Landes wurde seine Existenz etwas mehr gesichert. Von dieser Doppelarbeit kommt auch der später abwertend verwendete Begriff „Bauernfischer“.
Heute existiert die Fischereiform nicht mehr, die ökonomischen und sozialen Bedingungen wurden für die jahrhundertealte Zeesenfischerei immer nachteiliger. Gab es 1946 zwischen Barth und Ribnitz noch 33 Zeesenfischer, waren 1965 lediglich 18, und im Jahre 1984 existierte nur noch einer.
Es ist der Verdienst vieler Zeesenbootfreunde in Boddenhäfen, die in sehr aufwendiger und leidenschaftlicher Arbeit diese Fahrzeuge der kleinen Küstenfischerei wieder aufgebaut haben und in Form der segelnden Sportboote diese Fischereitradition erhalten und pflegen.
Wer über die Zeesenboote mehr erfahren möchte, findet in Hermann Winklers Buch: „Zeesenboote“ viele fundierte Antworten.