Beitrag: Dr. MANFRED HESSEL, Ostseebad Wustrow - leicht gekürzte Fassung,
Quelle: OZ vom 18.09.1995
Sie lebten doch von der Blüte der hiesigen Segelschifffahrt, aber diese ging in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts ihrem Ende zu. Die Frachten wurden knapper, immer mehr Partenreeder gingen Konkurs, und die Werften erhielten kaum noch Aufträge für den Bau derartiger Segler. Das große Kapital war gefragt, und das Dampfschiff triumphierte um die Jahrhundertwende über die Windjammer.
Die Existenzsorgen der Damgartener und Ribnitzer Werfen wuchsen immer mehr: Aufträge für Neubauten blieben immer mehr aus, und Reparaturen sowie Bau von kleinen Küstenfahrzeugen bis 60/70 Tonnen Tragfähigkeit reichten für das Überleben nicht aus.
Es spricht für Schiffbaumeister J. H. Wilken, dass er sich an den Dampferbau wagte. Neben hölzernen Yachten, Quatzen, Fähr- und Fischerbooten entstand 1880/8 1 der Raddampfer „Verein“, geführt von Kapitän H. Griese aus Ribnitz und die Schraubendampfquatze »Renate« mit Kapitän G. Bentzien, ebenfalls aus Ribnitz.
Waren diese Dampfer auch solide und nach den Vorschriften der Schiffsklassifikationsgesellschaft "Bureau Veritas" in Paris erbaut, trugen sie nur maximal 50 bis 60 Tonnen, und die Maschinen brachten es z. B. beim D. „Verein“ nur auf ganze zwölf Pferdestärken (PS).
Ihr Fahrtgebiet konnte nur das Binnengewässer sein. Mit solchen Schiffchen konnten die handwerklichen Werften nicht den Werften in Rostock, Stettin oder Hamburg Konkurrenz bieten. Dort wurde industriell gefertigt, wurden weit größere Dampfer vom Stapel gelassen.
So entstanden zum Beispiel um 1885 Schiffe mit 1300 BRT, 10 bis 15 Mann Besatzung und zum Preis von 123 000 Mark. Eine unerschwingliche Summe für die hiesige Dorfschifffahrt. Das fehlende Kapital war der eigentliche Feind des Damgartener und Ribnitzer Seeschiffbaus.
Zuerst schloss um 1880 die Werft von Dierling, im Jahre 1900 endete der Schiffbau bei Peters. Etwas länger hielt sich Wilken, doch der Niedergang war unaufhaltbar.
1915 musste Schiffbaumeister Wilken seinen inzwischen stark verwaisten Werftplatz an Maurermeister C. Stoldt verkaufen. Der anerkannte Schiffbaubetrieb Wilken existierte nicht mehr. Nur seine kleinen Dampfer sollten noch eine interessante „Seefahrt“ haben.
Im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Verkehrsverbindungen in der hiesigen Region unvorstellbar schlecht. Bis im Jahre 1888/89 die Eisenbahnlinie Stralsund-Ribnitz-Rostock eröffnet wurde, gab es hier keinen einzigen Schienenweg. Es gab kaum befestigte Landstraßen, und auf das Fischland führte bis 1928 ein schmaler, primitiver Feldweg, der ab 1929 mit einer drei Meter breiten Betonfläche bis vor Ahrenshoop ausgebaut wurde.
Zu Fuß oder mit Pferd und Wagen ging es bis zur Jahrhundertwende nach Hirschburg, Ribnitz oder Damgarten. Es war oft eine lange Tagesreise und sehr strapaziös.
Besonders beschwerlich waren diese Reisen für die Seeleute. Zu Beginn der kalten Jahreszeit wurden die meisten Schiffe von hier zum Beispiel in Rostock in „Winterlage“ aufgelegt, da zählte die Wustrower und Ribnitzer Flotte um 1865 bis zu 300 Segler.
Sobald im Frühling das Eis getaut war, ging es wieder an Bord. Mit einfachen Wagen oder Pferdegespannen ging es über die damals holprigen, morastigen und bei Niederschlag oft nicht passierbaren Wege nach Rostock oder nach Stralsund. Etwas besser fuhr man auf dem Bodden, vorausgesetzt, der Wind blies nicht zu stark. Die Schipper der „Segelfähren“ beherrschten ihr Fahrzeug meisterhaft. In einer Art Liniendienst verkehrten sie zwischen Ribnitz – Wustrow – Dierhagen und Dändorf.
Nach früher gescheiterten Versuchen, den Verkehr zum Fischland und den Seedörfern mit Dampfschiffen zu betreiben, sollten Dampfer die Segelfähren zurückdrängen. Am 14. März 1878 heißt es im „Stadt- und Landboten“: „Wie wir vernehmen, ist die Neugründung einer Dampfschifffahrtslinie zwischen Ribnitz und Wustrow durch einen Wustrower Schiffer in Aussicht gestellt usw.“
Im Frühling 1879 sollte der neue Linienverkehr dann Tatsache werden. In der gleichen Zeitung vom 15. Juni 1881 lesen wir dazu: „Gestern machte das auf der Werft des Schiffbaumeisters Wilken erbaute Dampfschiff ‚Verein‘ eine Probefahrt auf dem Binnensee, die nach dem Urteil Sachkundiger sehr günstig ausgefallen ist.“
Das Dampfschiff „Verein“ begann am 27. Juni 1881 mit den regelmäßigen Fahrten. Abfahrt von Ribnitz morgens 7 Uhr und 14 Uhr, von Wustrow zurück nach Ribnitz ging es 9 und 18 Uhr.
Über den Preis heißt es: „Person I. Cajüte 50 Pf., II. Cajüte 30 Pf. Außerdem werden alle Arten Frachtgüter zu billigen Preisen befördert.“ Es entwickelte sich ein reger Personen- und Güterverkehr, die Dampfer waren meist gut ausgelastet, und sie waren nicht viel länger unterwegs als die heutigen Linienbusse.
Bald kamen für diese Routen weitere Schiffe hinzu, wie zum Beispiel der in Ribnitz erbaute Dampfer »Neptun«, der 1895 bei Peters entstandene Dampfer »Swantewit«, MS »Onkel Fritz« oder der Dampfer »Großherzogin Alexandra«. Letzterer bot Platz für 148 Passagiere und zahlreiche Fracht. Bis in die 30er Jahre war dieser Liniendienst mit Dampfern eine gefragte Verkehrsverbindung. Doch die mit dem Bau der befestigten Straße zum Fischland 1930 entstandene Autobuslinie nach dem Fischland hat dem Dampferverkehr viel Abbruch getan, und bald geriet der „Seebäderdienst Fischland“ in Konkurs.
Der Wustrower Kirchturm wies auch den Dampfern den Weg.