Text: Brigitte Hildisch
Zingst. Die Aussicht, Zeesenboote in Aktion zu erleben, ist verlockend. Je mehr Boote sich auf dem Wasser befinden, desto eindrucksvoller gestaltet sich das Szenario für die Zuschauer. Jedes Jahr lockt die Zeesen- und Netzbootregatta einige Hundert Besucher nach Zingst. Hier beginnt im Juni die jährliche Saison der Zeesenbootregatten. Gestartet wird in drei Kategorien: der großen, der mittleren und der kleinen Bootsklasse.
Die großen und mittleren Zeesenboote müssen auf dem Barther Bodden drei Runden eines Kursdreiecks absolvieren, die Boote der kleinen Klasse nur zwei Runden.
Weitere Wettfahrten folgen im Laufe des Sommers in Wustrow, Dierhagen, Barth, Bodstedt und Althagen. Am Ende werden aus allen Regattaergebnissen die Jahressieger der jeweiligen Klasse ermittelt.
Konstruktiv wurden die Zeesenboote während ihrer jahrhundertelangen Entwicklungsgeschichte an die besonderen Bedingungen der Boddengewässer angepasst. Bei einer Rumpflänge von neun bis elf Metern beträgt ihr Tiefgang etwa 0,7 bis einen Meter. Zum Segeln wird jedoch das aufholbare Mittelschwert herabgelassen, wodurch sich der Tiefgang auf 1,5 bis zwei Meter vergrößert.
Deshalb müssen bei Regatten auf dem flachen Barther Bodden bestimmte Kompromisse eingegangen werden, denn nicht an allen Stellen würden die segelnden Oldtimer komplikationslos über den Kurs kommen. Vor allem der schwankende Pegelstand stellt die Organisatoren so manches Jahr vor schwierige Entscheidungen.
Es gibt keinen festen Kurs, den die Teilnehmer jedes Jahr aufs Neue absegeln. Es heißt, sich immer wieder neu auf die momentan vorherrschenden Windverhältnisse einzustellen. Sie haben maßgeblichen Einfluss auf den Pegelstand des Boddens. Sobald das Schwert eines Zeesenbootes den Grund berühren würde, könnte es nämlich beschädigt oder sogar zerstört werden. Als frustrierenden Umstand empfinden die Besatzungen auch jenen Moment, wenn während einer Wettfahrt der Boddenschlamm das Schwert wieder hochdrückt. Dadurch verringert sich die Geschwindigkeit erheblich. All das erklärt, warum sich vor allem die Skipper der großen Klasse häufig für einen Kompromiss entscheiden. Sie lassen ihre Schwerter nur halb herab, was allerdings auf Kosten der Kursstabilität geht.
In Abhängigkeit von der Windstärke müssen die Bootsführer ein weiteres Risiko abwägen. Würde das Aufheißen des Gaffeltoppsegels dem Boot mehr Geschwindigkeit bringen oder eventuell nur eine zusätzliche, bremsende Schräglage und unnötige Materialbelastung verursachen?
Großer Jubel herrscht unter den Einheimischen, wenn ein Zingster Zeesenboot einen vorderen Platz belegt. Für die Sieger haben Zingster Künstler originelle Erinnerungsstücke geschaffen. Allen Skippern wird eine Medaille mit der Abbildung eines teilnehmenden Zeesenbootes sowie den Siegern eine handgemalte Urkunde überreicht.
Zeitlich parallel zum Zeesenbootrennen veranstaltet die Zingster Kurverwaltung vor dem Hafen eine einstündige Regatta für Netzboote. Etwa ein Dutzend der kleinen Fischerboote, beheimatet in den Häfen rund um den Bodden, kämpfen dabei um die ersten Plätze.
Das ist noch nicht alles, was dieser Tag den Besucher an Unterhaltung, Information und sportlichen Wettkämpfen zu bieten hat. Der Zingster Sprint Cup im Kutterrudern fordert den Beteiligten den wohl höchsten körperlichen Einsatz ab. Größtenteils gehen Mannschaften aus Zingst ins Rennen. Aber "Mitmachen ist alles", sagte sich auch eine elfköpfige Hamburger Mannschaft, die im Jahr 2008 die beeindruckende Zahl 792 mit an Bord nahm. Auf diese Summe kam man, wenn man das jeweilige Alter der zehn Ruderer und des Steuermanns addierte.
Zur Freude der Zingster wächst das Interesse an den Zeesenbooten. Wurden sie in der DDR noch bis in die 70er Jahre als Fischereiboote genutzt, sieht man die traditionellen Segler heute eher als Freizeitboote an. Für Touristen, die einen Segeltörn im Zeesenboot erleben möchten, gibt es rund um die Bodden mehrere Gelegenheiten zum Mitsegeln.
und die nächste Zingster Zeesen- und Netzbootregatta ist am:
Upps, noch kein Termin im Juni?
welches die Zingster bereits seit einigen Jahren begehen. Es sorgt für die maritime Atmosphäre und bildet mit seinem kulturellen Angebot den Hintergrund für die sportlichen Ereignisse. Hier kann man sich bei Livemusik entspannen oder die traditionelle Volkskunst eines Shanty-Chores genießen. Zum festen Programm gehört auch der Auftritt einer Kindertanzgruppe. Genaueres über das dreitägige Hafenfest ist den Veranstaltungshinweisen der Kurverwaltung zu entnehmen.
Dabei fällt der Blick sicher auch auf die Vorführungen der Modellbaugruppe um Werner Möller, den "Obmann" der "Mini-Zeesenbootklasse". Die Modelle an sich sind schon sehenswert. Besonders spannend und unterhaltsam wird es aber, wenn die Eigner der Mini-Zeesenboote eine kleine Regatta per Fernsteuerung austragen. Wer will, darf solch ein Gerät selbst mal in die Hand nehmen. Groß ist der Andrang von Seiten der jüngsten Besucher des Hafenfestes.
Es ist also für alle Altersgruppen etwas Passendes dabei - sowohl in diesem als auch in den folgenden Jahren.