Quellen: "Das kleine Buch der Darßer Haustüren" von Frank Braun / René Roloff und Darß-Museum Prerow
2018 wurde „Die traditionelle kunsthandwerkliche Herstellung der Darßer Türen“ von der Deutschen UNESCO Kommission in das „Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes“ aufgenommen.
Eine Besonderheit der Orte Born, Wieck und Prerow auf dem Darß sind die vielen individuell gestaltete Haustüren. Jeder Ort legt dabei Wert auf seine eigenen, charakteristischen Merkmale.
Mit
dem wirtschaftlichen Wandel in den letzten Jahrhunderten, ausgehend
von einer bäuerlichen Gemeinde im 18. Jahrhundert über ein von der
Seefahrt geprägtes Dorf im 19. Jahrhundert bis hin zum heutigen
Urlauberort, ging auch eine Veränderung der in den Dörfern
verbreiteten Hausformen einher. Das sogenannte „niederdeutsche Hallenhaus“ war der ideale Haustyp für eine bäuerliche Wirtschaft.
Hier lebten Mensch und Vieh nebst der eingebrachten Ernte unter
einem Dach. Als dann die bäuerliche Wirtschaft der Schifffahrt und
dem Schiffbau den Vorrang ließ, fand ein neuer Haustyp starke
Verbreitung. Typisch waren nun tragende Außenwände, ein
Krüppelwalmdach und eine breite Hausseite, die parallel zur Straße
verlief. Dadurch kam der Haustür eine besondere Bedeutung zu – sie
war Mittelpunkt der Fassade und Haupteingangstür. Man begann, diese
Türen mit aufwendigen Ornamenten zu gestalten.
Die
Verzierungen basieren auf der maritimen Kultur der Darßer
Segelschifffahrt. Sie sind nicht nur dekorative Elemente, ihnen
werden auch unterschiedliche Bedeutungen beigemessen. So ist der
Lebensbaum das Sinnbild für Lebensenergie, das Kreuz Sinnbild für
die Abwehr des Bösen und der Anker symbolisiert die Verbundenheit
mit der Seefahrt. Häufig findet man Abbildungen von Blüten,
Tulpensträußen und Sonnensymbolen als Sinnbild für das Leben,
Fruchtbarkeit und das Licht. Die Darßer Haustüren bedienen sich
uralter volkstümlicher und heidnischer Motive.
Die ersten Türen, gefertigt ca.1790 bis 1850, waren meist einfache Brettertüren mit aufgesetzten Rahmen, bunt gestrichenen Ornamenten und einem Oberlicht. Als Verzierung dienten zu jener Zeit Anker, Blitzschutzsymbole, Blüten, Diamantschnitte, Ecken, Efeu, Fächer, Initialen, Lebensbaum, Kreuze, Palmetten, Lorbeer, Rosetten, Säulen, Sterne, Talerband, Tulpen, Vasen u. a. Viele der Motive standen für eine glückliche Rückkehr der Seefahrer. Waren sie es, die die Türen auf ihren langen Seereisen erdacht und gefertigt hatten. Die große weite Welt regte zu Türen mit exotischen Mustern, Säulen oder Mäandern an. Diese wurden gemixt mit den Elementen der Heimat. Vermögende Seemannsfamilien hoben sich mit kunstvollen Eingangstüren hervor.
Um 1850 bis 1900 wurden die Türen schon als „echte Füllungstüren“ konstruiert. In einem umlaufenden Rahmen schob man drei oder mehr Füllungen je Flügel ein. Diese Konstruktionsweise gilt als edler, verglichen mit den aufgedoppelten Brettertüren. Schmuckelemente damals waren Delphine, Krabben, Papyrusbündel, Pinienzapfen oder Spitzbögen.
Einige historische Türen können Sie im Darß-Museum in Prerow besichtigen, wie z. B. diese spätklassizistische Kassettentür, Mitte 19. Jh., ehemals Prerow – Hafenstraße 20.
Zwischen 1900 und 1930 hielt sich die Bautätigkeit wegen der wirtschaftlich schwierigen Lage und des 1. Weltkrieges in Grenzen. Die Orte wandten sich dem Tourismus zu. Aus jenen Jahren stammen nur wenige Türen. Es handelt sich dabei meistens um Füllungstüren, die z. T. in den oberen zwei Dritteln mit Glasfeldern versehen waren.
Von 1930 bis 1945 erlebten die klassizistischen Darßer Haustüren eine Renaissance. Der Prerower Bürgermeister gab 1931 den Auftrag für eine Tür im neuen Gemeindeamt, natürlich für eine Tür mit traditionellen Darßer Motiven. Der Maler und Grafiker Theodor Schultze-Jasmer war für die Farbgestaltung verantwortlich. Er gab vermutlich den Anstoß für die mehrfarbige Gestaltung der Haustüren auf dem Darß.
Von 1945 bis 1989 wurden zahlreiche Türen gefertigt, die in ihrer Konstruktion und Gestaltung der Vorkriegszeit entsprachen. Allerdings löste Sperrholz langsam das Massivholz für die Füllungen ab.
Seit 1990 verzeichnen die Türproduzenten ein Aufblühen in der traditionellen Herstellungsweise, also Exemplare in verschiedenen historischen Techniken gefertigt. Aber auch industriell gefertigte Türen mit nicht traditionellen Motiven (Leuchtturm, Möwe, Windflüchter u. a.) finden ihre Liebhaber. Als Kompromiss kombiniert man häufig moderne vorgefertigte Konstruktionselemente, mit von Hand geschnitzten, auf Tradition beruhenden Ornamenten. Diese sind meist überregional verbreiteten Vorlagenbüchern entnommen. So sieht man nicht nur auf dem Darß diese liebevoll gestalteten, farbenfrohen Haustüren, sondern auch in Wustrow und Zingst kann man sich an vielen solchen nachempfundenen „alten“ Türen erfreuen.
Das Thema „Darßer Haustüren“ wurde von dem FDF-Floristen-Team aus Sachsen-Anhalt aufgegriffen und auf der Internationalen Gartenbau-Ausstellung 2003 in Rostock umgesetzt. So entstanden zur Freude der IGA-Besucher diese aus Blumen gestalteten Haustüren nach alten Darßer Originalen.
Nicht nur auf dem Darß kann man die historischen Haustüren finden.
So wurde diese Wustrower Haustür nach alten Vorlagen bei Meister Roloff in Prerow gefertigt.
Auf dem traditionellen 1. Borner Maskenball 2011 traten die „Darßer Haustüren“ sehr originell als Maskenbild in Erscheinung.
Beim Schlendern durch die Darßer Orte haben Sie gewiss schon die bunten Darßer Türen entdeckt. Wenn Sie gezielt auf Entdeckungsreise gehen möchten, nutzen Sie die Karte „Darßer Haustürenpfad“ – eine Auswahl von Darßer Haustüren.
Die umfangreichere Karte von Darßer Haustüren finden Sie im folgenden Buch:
DAS KLEINE BUCH DER DARẞER HAUSTÜREN
Autoren:
Frank Braun / René Roloff
weitere Infos zum Buch:
Verlag:
Thomas Helms Verlag
Wallstr. 46
19053 Schwerin
ISBN:
978-3-944033-13-6